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  • AutorenbildDaniela Niemeyer

KEINE VERÄNDERUNG OHNE SCHMERZ?

Aktualisiert: 11. März 2020

Die "lernende Organisation" könnte der Schlüssel für die Herausforderungen der Zukunft zu sein. Doch wie befähigt man eine Organisation zum konstruktiven Umgang mit Veränderung? Und warum tun sich damit viele noch so schwer? Welchen Einfluss hat die Unternehmenskultur auf das Verhalten der Mitarbeiter? Und welche Ansätze gibt es, diese aktiv zu gestalten?

Mit diesen Fragen beschäftige ich mich schon lange und durfte Sie im Rahmen meines Vortrages auf der #talentum Konferenz in einem Abschlussimpuls beleuchten.

Auf die Bitte einiger Konferenzteilnehmer teile ich sehr gern Auszüge aus diesem Vortrag und meine - manchmal zugegebenermaßen vielleicht provokative - Perspektive zum Thema Veränderung in Organisationen.


Warum eigentlich Veränderung?

Wir starten mit einem kurzen Blick auf diese Welt und die Zukunft, die immer unvorhersehbarer wird. Wissen ist in so großen Mengen vorhanden, dass einem schwindlig wird. Kunden, Verbraucher, Märkte verändern sich, ihr Verhalten verändert sich und wird immer ambivalenter. Die #Digitalisierung betrifft jedes Unternehmen - und doch hat man den Eindruck, als stünden viele vor einem großen Fragezeichen.

Im Prinzip sind Organisationen permanenten Veränderungsimpulsen ausgesetzt - von ihren Mitarbeitern, Kunden, der Gesellschaft, der Wirtschaft, Politik, etc.

- bei gleichzeitig steigender Unsicherheit.


Da fragt man sich doch als Unternehmer, wie man auf all diese Impulse am Besten oder überhaupt reagiert? Wie geht man mit dieser steigenden Komplexität um? Wie richtet man sich, seine "Marke", bloß aus für die Zukunft?

Klingt eigentlich logisch, dass man sich als Unternehmen diese Frage stellen sollte, aber die wenigsten tun das tatsächlich einfach so, aus eigenem Antrieb. Die meisten tun es erst, wenn es anfängt, irgendwo echt weh zu tun.


Veränderung braucht offenbar zunächst einmal "echten Schmerz" , eine Irritation von außen oder innen.


Irgendetwas, was nicht mehr ignoriert werden kann.

Mir fallen dazu sofort solche "Faktoren" ein wie Umsatzverluste, wegbrechende Kunden, unzufriedene Mitarbeiter, einen Wechsel in der Geschäftsführung, "post-partriarchialische Schockstarre", ein Team, was zerstritten ist, hohe oder steigende Krankenstände, keine Bewerber mehr auf ausgeschriebene Stellen, sinkende Absätze, etc.


Das sind meistens die Impulsgeber für Veränderung.

Im Großen wie im Kleinen übrigens - oder wie sehr haben Sie sich persönlich verändert in letzter Zeit? Ohne dass es dafür einen Anlass, einen Schmerzpunkt, gab, der zu weh tat, als dass Sie es weiterhin hätten ignorieren können?


Und so viel Sinn es auch ergeben mag, an dem Schmerz etwas zu ändern - so viel Widerstand scheint es hervorzurufen.

Jeder von Ihnen kennt vermutlich diese vielzitierten (aber auch falsifizierten?) Studien unterschiedlichster Quellen (u.a. Kotter), die besagen, dass 70% aller Veränderungsinitiativen an der Umsetzung scheitern.


Ob der Prozentsatz stimmt oder nicht...Dass viele Initiativen scheitern, ist hinlänglich bekannt. Warum mag das so sein?


Ich behaupte mal frech: Die grundsätzliche, weitverbreitete und "gelehrte" Annahme der rein betriebswirtschaftlich ausgebildeten Manager & Berater liegt ja immer noch in dem Gedanken, dass ein Unternehmen wie eine Maschine zu steuern ist.





Oben geben sie Veränderung rein und unten kommt dann das, was Sie geplant haben 1:1 raus. Man muss halt nur auf die richtigen Knöpfe drücken.

Und wenn es dann komischerweise doch nicht so (schnell, einfach, prognosekonform,...,) klappt, dann hören Sie: "die MA wollen sich nicht verändern".


(Siehe hierzu auch die etventure Studie von 2018, bei denen 58% aller interviewten Top-Manager die Mitarbeiter als größte Bremser der Digitalisierung bezeichnen..)


Und vice versa schimpfen erfahrungsgemäß die MA auf das "nicht zu Ende gedachte" Veränderungs-Konzept.


Ich denke, womit sich die Unternehmensführung für jetzt und in alle Zukunft anfreunden sollte, ist, dass ein Unternehmen und schon gar nicht die Menschen, die darin arbeiten, wie eine Maschine funktionieren und zu steuern sind. So eine Organisation ist hochkomplex - und das meine ich nicht im Sinne von kompliziert, sondern im Sinne von "unvorhersagbar" in ihrem Verhalten.


Wir würden gut daran tun, diese Komplexität zu akzeptieren und als etwas Wertvolles zu betrachten.


Sowohl die Komplexität von Organisationen, als auch die der Menschen, die darin arbeiten.

Was man ebenso berücksichtigen sollte, (und da spricht jetzt die Systemtheorie aus mir) ist, dass alle diese Elemente miteinander zusammenhängen und einander beeinflussen. Wenn Sie an einer Stelle eingreifen, können sie davon ausgehen, dass das zwangsläufig an einer oder mehreren anderen Stellen Auswirkungen hat.





In der Mitte von all dem steht nun einmal der Mensch und verbindet alles miteinander. Jeder einzelne Mensch mit seiner Rolle in der Organisation, aber auch mit seinen ganz eigenen Zielen, Intentionen, Antrieben, Werten, Haltungen etc.


Und womit ist dann alles verbunden? Mit Kommunikation.

Kommunikation ist (analog der Systemtheorie von Niklas Luhmann) das verbindende Element einer Organisation - und deshalb konzentriere ich mich in meiner Arbeit (schon immer) in ganz besonderer Weise darauf.


Kommunikation in Organisationen entwickelt nämlich ihre ganz eigene Dynamik - sie bildet Muster aus und entwickelt ihre ganz eigenen expliziten aber auch impliziten Spielregeln, bis hin zu ihrer eigenen Sprache, die ein Außenstehender kaum versteht.


Das klingt abstrakt, aber die nachfolgenden Beispiele kennt wahrscheinlich jeder aus ganz eigener Erfahrung:


Die offiziellen Spielregeln


Sie beinhalten die offizielle, dokumentierte und nachlesbare Kommunikation einer Organisation. Also zum Beispiel Organigramme, Prozesse, Entscheidungswege, aber auch Webseiten, Broschüren, Emails, Präsentationen, Handbücher, etc.

Alles, was man Ihnen bei Ihrer Einarbeitung als neuer Mitarbeiter so erzählt - wo drin und drauf steht, wer das Unternehmen ist, was es macht, und wie es gemacht wird.


Die inoffiziellen Spielregeln


Da wird es dann spannend. Da entstehen Gruppen, Beziehungen, informelle Kommunikation: bestes Beispiel ist der "Flurfunk". Der funktioniert in vielen Fällen besser als die offizielle Kommunikation und kann ganz schnell eine konträre Eigendynamik entwickeln.

Beim impliziten Spiel geht es aber auch um weit mehr: informelle Macht zum Beispiel. Welchen Einfluss die Assistentin des Geschäftsführers in manchen Unternehmen hat, erklärt ihnen kein Organigramm. Es wäre in diesem Fall allerdings sehr kurzsichtig, sie nicht als Mitgestalterin zu nutzen.


10 Fragen, mit denen Sie ihrer "inoffiziellen Kultur" auf die Schliche kommen:


Fragen Sie sich doch heute einmal auf dem Weg nach Hause:


  • Welche "geflügelten" Worte gelten bei Ihnen? ("Nur die harten kommen in den Garten?")

  • Was bedeutet bei Ihnen "Erfolg"?

  • Mit welchem Verhalten macht man in Ihrem Unternehmen "Karriere"?

  • Mit wem muss man sich gut stellen - und warum?

  • Von wem hält man sich besser fern - und warum ?

  • Wie verhält man sich im Meeting? Wer redet dort? Wer nicht?

  • Wie bekommt man eine Gehaltserhöhung?

  • Mit welchem Verhalten fällt man positiv / negativ auf?

  • Wie geht man bei Ihnen mit Konflikten um?

  • Wie werden Entscheidungen gefällt?


... ich wette, Sie haben eine Antwort parat.

Welcome to the game.





Jeder der schonmal neu in ein Unternehmen gekommen ist, weiß vielleicht noch wie sich das am Anfang anfühlt .. und wie schnell man diese ungeschriebenen Regeln unbewusst lernt oder auch nicht.


In den Fällen, in denen die Leute es nicht lernen, sich an die Verhaltensregeln zu halten - sind sie oft ganz schnell auch wieder draussen. "Er/Sie hat einfach nicht zu uns gepasst", hört man dann vielleicht.


Wirklich interessant wird es dann aber, wenn das, was offiziell gesagt wird gegensätzlich ist zu dem tatsächlich gelebten Verhalten. Wenn explizit und implizit sich gegenüberstehen.


DAS ist den meisten Führungskräften nur selten bewusst. Und vielleicht gerade deshalb ist es einer der mächtigsten Einflussfaktoren für nachhaltige Veränderung und einer der Ansatzpunkte, die ich bei Diagnosen der Team- oder Unternehmenskultur immer berücksichtige.



Ich glaube fest daran, dass die Zukunft im Nutzen der Kraft der eigenen Organisation liegt. Der Kraft und der Talente jedes einzelnen Mitarbeiters, und aller relevanten Umwelten, also auch der Kunden, der Lieferanten, vielleicht ja - je nach Größe - sogar der Gesellschaft.


Vielleicht fangen wir damit an, das Bild der Maschine hin zu einem Bild vom lebendigen Organismus zu entwickeln der sich, so wie wir ja auch, im Laufe ihres Lebens aus sich selbst heraus entwickelt - idealerweise aktiv und neugierig und nicht nur reaktiv und gesteuert durch Schmerzen.


Für mich hat diese unvorhersagbare Zukunft jedenfalls etwas Gutes - denn je unvorhersagbarer die Zukunft wird, umso mehr können wir sie doch nach unseren eigenen Vorstellungen gestalten.


Legen Sie los.

Ich begleite Sie gern dabei.



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